Ein Tag Autovermietung


Morgens, halb sechs in Deutschland.

Aufgrund der unglaublichen Anzahl von Baustellen und auf der B-Säule verweilenden 40-Tonnern wird für den 95km langen Arbeitsweg die etwas marode Firma des Herrn Mehdorn unterstützt.

„Der Intercity 2239 von Stuttgart nach Salzburg über Prien am Chiemsee, Traunstein, Freilassing, planmäßige Abfahrt 05:38 an Gleis 4, fährt wegen Bauarbeiten voraussichtlich 15 Minuten später ein.“

Toll, hoffentlich entkommt man wenigstens den umgekippten LKW.

7:00 Uhr, Tür aufsperren.

Vermieter im Genick.

Der L5 stünde da jetzt sehr ungünstig. Der Parkplatz gehöre doch dem Tierarzt. Der kommt zwar frühestens um 09:30 Uhr, aber da 7,5-Tonner fahren vor dem Aufstehen sowieso zu Deinen Lieblingsbeschäftigungen gehört, fährst Du die Mühle halt gleich weg und wartest nicht auf Deine Fahrer.

Leider springt das Teil nicht an. Sowohl die Scheinwerfer als auch die Innenbeleuchtung des Laderaumes haben die ganze Nacht für Stimmung auf dem Parkplatz gesorgt.

Leider öffnet die Vertragswerkstatt erst um 8.

Vermieter beruhigen.

Selbiger fragt Dich, ob Du nicht schnell ein Überbrückungskabel holen kannst. Klar, schade dass ich nicht mit meinem Polo da bin, da habe ich immer eines im Kofferraum, und die Batterie ist eh die gleiche. Wer ist hier eigentlich blond?

07:30 Uhr: Freudestrahlend stehen die Mieter im Laden, die den 7,5-Tonner haben wollten. Und Du hast noch nicht mal  die erste Tasse Kaffee getrunken.

Die Leute wohnen gleich um die Ecke, und für 50 Euro Nachlass kommen sie auch vier Stunden später wieder.

07:45 Uhr, ein Kunde betritt den Raum und beginnt das Gespräch mit den Worten: „Es gab da ein Problem mit dem Auto!“

Wie üblich stellt sich heraus, dass das Auto ein Problem mit den Mietern hatte. Der Sprinter braucht das Dach sowieso nicht, und der Balkon war schon vorher baufällig.

08:00 Uhr: Vertragswerkstatt anrufen. Servicemobil wird losgeschickt.

Vermieter beruhigen.

08:15 Uhr: Fax an Dispo mit Bestellung neuer Sprinter. Das Balkon-Cabrio auf Werkstatt setzen.

08:30 Uhr: Alle Kunden, die zwischen 07:30 Uhr und 14:00 Uhr reserviert haben, brechen gleichzeitig durch die Tür. Du hast nur noch ein Diesel-Fahrzeug auf dem Hof. Da es immerhin schon November ist und die Temperaturen schon bei +12 Grad angekommen sind, bricht eine Prügelei um das Beetle Cabrio TDI mit Winterreifen los.

Währenddessen kommt der Servicewagen und stellt sich quer in die Einfahrt, um dem L5 Starthilfe zu geben.

Vermieter beruhigen.

09:00 Uhr: Erster Kaffee

09:01 Uhr: Anfrage Telefon. „Ich wollte so nen Sharan mieten.“

Mitarbeiter: „Benötigen Sie einen Mehrsitzer?“

Kunde: „Nee, ich will umziehen!“

MA: „Was haben sie denn zu transportieren?“

Kd: „Nur so’n paar Kisten. Mit Büchern.“

MA: „ Und das Bücherregal?“

Kd: „Ja, das stand neben dem Bett, das Regal und das Bett müssen auch mit.“

MA: „Sonst noch was?“

Kd: „Naja, die Küche halt und das Sofa!“

(09:15 Uhr: Parallel werden vier Mietverträge eingegeben)

MA: „Von wo nach wo möchten Sie umziehen?“

Kd: „Von Salzburg nach Berlin.“

MA: „Also können sie nur einmal fahren.“

Kd: „Ja.“

MA: „Wissen Sie, wie groß ein Sharan ist?“

Kd: „Das ist so ein kleiner Bus.“

MA: „Da kriegen sie aber ihre Möbel mit Sicherheit nicht rein.“

Kd: „Aber das war im Internet der einzige, bei dem die Kilometer frei sind.“

MA: „Ach, haben sie schon im Internet nachgesehen? Da stehen doch auch die Maße der Autos.“

Kd: „Ich habe auch schon eine Reservierung eingegeben, ich dachte, das passt dann alles schon!“

MA: „Ich denke, sie sollten da lieber etwas größeres nehmen.“

(09:30 Uhr: Der Tierarzt kommt rein, nimmt sich einen Kaffee, da er nicht auf seinen Parkplatz kommt.
Tierarzt beruhigt Vermieter)

Kd: „Und was kostet das?“

Eine halbe Stunde später hast Du unter Berücksichtigung von ca. 27 Variablen ungefähr 16 verschiedene Preise ausgerechnet, um dann einen frei zu erfinden, damit Du billiger bist als die Konkurrenz.

Kd: „Aha, vielen Dank, ich schau dann noch mal im Internet, da sind die Preise ja eigentlich immer billiger.“

Du verabschiedest dich höflich, legst auf, unterdrückst mühsam den Reflex, in die Tischkante zu beißen und fragst den Tierarzt nach einer Beruhigungsspritze.

Und es ist noch nicht mal Mittagszeit…

10:00 Uhr: Die Jungs von der LKW-Werkstatt teilen Dir mit, dass der L5 jetzt zwar läuft, aber eigentlich nicht mehr ausgeschaltet werden sollte, bis der Mieter einige Kilometer gefahren ist, da die Batterie sonst wieder leer ist.

Du störst deine Fahrer beim Kartenspielen und schickst zwei mit dem 7,5-Tonner zu McDonalds, Frühstück holen.

10:05 Uhr: Der Tierarzt verlässt gemeinsam mit dem zeternden Vermieter das Büro und verspricht, sich um den Hund zu kümmern.

10:15 Uhr: Dein Kaffee ist kalt. Deine Kollegin kommt herein und fragt, wie es bis jetzt gelaufen sei.

„Das übliche!“ –

„Ach, verdammt!“

10:32 Uhr: Dein Fahrer ruft an und berichtet, dass er mit dem L5 im McDrive feststeckt. Auf die Frage, warum er dort hinein gefahren ist, antwortet er, dass er doch das Auto nicht ausmachen sollte. Kurz: Du bist schuld!

10:35 Uhr: Zweite Tasse Kaffee.

10:58 Uhr: Du bekommst gleichzeitig 15 Autos aus den Wochenendmieten, die um 9 Uhr ausgelaufen wären, zurück. Sie standen alle im gleichen Stau…

11:15 Uhr: Deine Fahrer sind mit Frühstück und dem L5 wieder da. Du gehst raus, um die Schäden zu begutachten.

In der Tür nickst Du noch mal aufmunternd Deiner Kollegin zu, die versucht, einem Kunden das einzige saubere Auto auf dem Hof schmackhaft zu machen, einen Nissan X-Trail Automatik Benziner. Immerhin muss man mit diesem Fahrzeug auf der Strecke Freilassing-München Flughafen nur einmal zwischendrin tanken.

11:27 Uhr: Die Mieter für den L5 sind da. Du verkaufst das Gefährt mit dem angeknetschten Koffer als modernes, windschnittiges, Benzin sparenderes Modell und hoffst, nicht sofort vom Blitz getroffen und in die ewige Verdammnis geschickt zu werden.

11:45 Uhr: Der Kunde Deiner Kollegin verlässt den Hof mit einem stockdreckigen A6.

11:50 Uhr: 2. Tasse Kaffee ist kalt. Damit Du endlich Dein Koffein bekommst, stürzt Du gierig zwei frische Tassen in drei Sekunden runter und verbrennst Dir die Zunge.

12:05 Uhr: Der holländische Automobilclub ANWB ruft an und fragt nach zwei Autos für Leute mit viel Gepäck. Du bietest freudestrahlend den Nissan X-Trail und einen Chrysler 300 C Kombi an.

12:14 Uhr: Deine Fahrer teilen Dir mit, dass es in Freilassing kein Diesel mehr gibt. Tanklaster kommt erst am Donnerstag. Du setzt alle leeren Diesel-Fahrzeuge auf Werkstatt und merkst Dir vor, bei allen nicht 100%-Vollen etwas gut zu schreiben.

12:17 Uhr: Du bekommst eine wichtige E-Mail mit dem Hinweis, dass ab sofort die neue Rechtschreibreform angewandt werden soll. Zweifelnd fragst du deine Kollegin, ob sie weiß, wie man jetzt Peugeot schreibt und ob Greenway, das Reservierungsprogramm, mittlerweile ‚ü’ kann.

12:42: Der ANWB sagt zu, und Du schickst drei Fahrer los, die in ein österreichisches Kuhdorf in angeblich 45 km Entfernung fahren sollen, um den Holländern die Fahrzeuge zu übergeben.

13:15 Uhr: Ein bedrohlicher Schatten rollt auf die Station zu. Dein wichtigster Kunde kommt rein und fragt, ob er den Sattelzug eh da hinten vor dem Tierarzt stehen lassen kann.

Bevor Du schreien kannst, hat er das Etablissement verlassen.

13:35 Uhr: Ein einziger der Fahrer mit 2er Führerschein hat Zeit und kann in einer halben Stunde da sein, um die Zugmaschine wegzufahren.

Vermieter beruhigen.

Du checkst das Gerät ordnungsgemäß ein und stellst fest, dass der LKW zwar in Castrop-Rauxel vermietet wurde, sich die On-Board-Unit, das Gerät für die Autobahnmaut, allerdings laut System noch in Flensburg befindet.

Seufzend hörst du dir die Bandansage vom Helpdesk an und hinterlässt anschließend  LKW-Kennzeichen, Name, Adresse, Telefonnummer, Schuhgröße und Leibspeise auf dem Anrufbeantworter.

14:30 Uhr: Deine Kollegin weist dich darauf hin, dass der Chinese jetzt dann auch zu hat und keiner dran gedacht hat, etwas zu bestellen.

14:45 Uhr: Deine Fahrer melden sich aus Österreich und teilen mit, dass sie das gesuchte Dorf zwar gefunden habe, dass sich das Hotel jedoch auf einer Alm am Grossglockner befindet.

Die Entfernung beträgt nun mit Passstrasse 135 km und du freust dich, dass deine Fahrer voraussichtlich um 23:45 Uhr zu Hause sein werden.

15:30 Uhr: Die Ziel-Station des A6-Kunden ruft an und erzählt, dass selbiger sich fürchterlich aufgeführt hat und eine Gutschrift wollte, weil das Auto so dreckig war. Mit engelsgleichem Lächeln habe aber die Kollegin unter F7 den Mietvertragskommentar gelesen und dem Kunden mitgeteilt, dass er sich ja ganz alleine und selbst gegen den blitzblanken Nissan entschieden habe. Strike!

16:15 Uhr: Du stehst am Bahnhof und wirfst deine letzten 14 Euro in den Süßigkeiten-Automat, um zwei Tafeln Schokolade zu ergattern. Eine gibst Du dem Fahrer, der dich zum Bahnhof gebracht hat, wieder mit, damit deine Kollegin nicht verhungert.

Während durch den Lautsprecher schallt, dass die Regionalbahn aus Salzburg nach München 5 Minuten später kommt,  verabschiedet sich dein Chauffeur mit den Worten:

„Bis morgen, vielleicht ist da wieder mehr los. Heut war ja fad…“

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